DFB Pokal / Stadion: Allianz Arena / Zuschauer: 71.000
Die Vorfreude auf die zweite Runde des DFB Pokal war beim TSV 1860 München so groß wie lange nicht mehr. Die Losfee brachte zur Oktoberfestzeit den letztjährigen Champions League Finalisten Borussia Dortmund ins Haus. Jener Club, der dem großen Stadtrivalen der Münchner in der heutigen Zeit als einziger ernsthaft Paroli bieten kann und für welchen bei vielen Löwenanhängern schon seit Jahren zahlreiche Sympathiepunkte existieren.
Auch wenn der Gastgeber sportlich deutlich unterlegen gegen eine mit Nationalspielern gespickte Bundesligamannschaft schien, kann man schon im Vorfeld von einem absoluten Glückslos sprechen. Nicht weil das Achtelfinale in greifbarer Nähe war, sondern weil die Fröttmaninger Arena mit 71.000 Zuschauern restlos ausverkauft war! Die Abwechslung zum seit Jahren zähen Ligaalltag gegen Sandhausen oder zuletzt Erzgebirge Aue (nur 14.300 Zuschauer) brachte auch den inaktivsten Sechziger und den ein oder anderen Arena – Verweigerer noch einmal dazu, sich im Vorfeld um eine Karte zu bemühen und den Abend nach der Wiesn mit attraktivem Fußball ausklingen zu lassen.
Eine halbe Stunde vor Anpfiff war die Nordkurve der Allianz Arena bereits brechend voll. Auch die erwartungsgemäß hohe Gästeanzahl bestätigte sich schon weit vor Anpfiff, so nahmen die schwarz – gelben ca. 50 % der Südkurve für sich ein und zählten weit über den Gästesektor hinaus bis zu 15.000 Leute. Die Löwenfans bereiteten zu Beginn des Spiels in alter Tradition pünktlich zur Wiesn eine schöne Choreographie vor, bei welcher im Unter- und Mittelrang der Nordkurve abwechselnd blaue und weiße Papptafeln nach oben gehalten wurden, ehe eine große Blockfahne in Form eines Lebkuchenherzes vom Mittelrang herabgelassen wurde, die den Löwen mit einem Maßkrug zeigten. Eine wirklich schöne Choreographie, wenn auch die Papptafeln viel zu früh entfernt wurden und die Mannschaft beim Einlaufen kein vollendetes Bild der tollen Choreo mehr genießen konnte.
Alles war angerichtet: Ein ausverkauftes Haus, zwei bestens motivierte Fanlager und eine Löwenelf in den limitierten Wiesn-Trikots sollten das Wunder perfekt machen und den haushohen Favoriten aus dem Ruhrpott mit Leidenschaft und Kampf in die Knie zwingen. Trainer Jürgen Klopp war sich der Sache bewusst, gegen einen zweikampfstarken und disziplinierten Zweitligisten anzutreten, welcher auch durch Friedhelm Funkel bestens eingestellt wurde und heute die vielleicht einmalige Chance zur Eigenwerbung nutzen könnte, um durch eine entsprechende Leistung künftig wieder mehr Löwenfans ins unbeliebte Stadion zu bekommen.
Die Dortmunder waren wie erwartet die ballbesitzende und spielbestimmende Mannschaft. Sechzig verteidigte generell mit 9 Leuten hinter dem Ball und hatte mit Benny Lauth den einzigen Offensivmann auf dem Feld, der die Bälle in der Dortmunder Hälfte halten sollte. Teilweise hatten Reus, Lewandowski & Co. keine Möglichkeiten, eine tief stehende und teils mit Sechserkette agierende Löwenmannschaft zu überwinden. Spätestens war jedoch beim überragenden Torwart Gabor Kiraly im Tor der Giesinger Schluss. Das Stadion merkte früh, dass der Zweitligist es irgendwie schaffen könnte, den BVB über längere Zeit zu ärgern und das Spiel offen zu halten. Dementsprechend war auch die Stimmung in der unter dem Münchner Nachthimmel in blau leuchtenden Allianz Arena. Teilweise war das ganze Stadion zeitgleich aktiv und sorgte für eine absolute Gänsehautstimmung. Der Wechselgesang zwischen Löwen – und BVB Fans gegen den beidseitig sehr unbeliebten FC Bayern brachte einen Lautstärkepegel, den es so in München wahrscheinlich noch nie gab. Die Funkel – Elf spürte dies auch sichtlich auf dem Feld, fightete um jeden Ball und ging noch nie gegangene Wege um dem derzeitigen Tabellenführer der Bundesliga zutrotzen. Der Teilerfolg war mit dem Pausenpfiff bereits geschafft und die Mannschaften wurden unter riesen Applaus in die Kabinen verabschiedet.
Nach dem Pausentee veränderte sich das Bild kaum. Die Löwen sorgten mehrfach für ein wenig Entlastung gegen eine individuell um einige Klassen bessere Gastmannschaft, hatten sogar bei einem zeitweiligen Eckenverhältnis von 1 zu 10 die bis dahin größte Chance des Spiels, als Stahl noch in der ersten Hälfte per Kopf knapp scheiterte. Natürlich entstand diese Chance durch die einzige Ecke, während die Eckbälle der Dortmunder beidseitig kaum Probleme bereiteten. Ein absolutes Highlight ereignete sich auch mit der Auswechslung von Sven Bender (69.), welcher gemeinsam mit seinem Bruder Lars auf eine lange Geschichte beim TSV 1860 zurückblicken kann. Das ganze Stadion erhob sich für Sven Bender um ihn unter tosendem Applaus zu verabschieden. Eine starke Geste, die auch Bender sichtlich rührte.
Obwohl Gabor Kiraly und seine Vorderleute nun mehr und mehr in Bredouille kamen, wollte der Ball einfach nicht im Tor unterkommen. Meist trug nun auch das Aluminium seinen Teil dazu bei, so nach dem Freistoß von Jakub Blaszczykowski und einem Schuss von Marco Reus nach Fußabwehr von Kiraly.
Die Löwenfans trauten ihren Augen nicht, als auch nach 90 Minuten immer noch ein 0:0 auf der Anzeigetafel erschien und die Teams sich auf eine Verlängerung vorbereiten mussten. Mit Einsatz von Schals und Fahnen im Rücken bekam der Außenseiter noch einmal frische Energie für eine kraftaufreibende halbe Stunde, welche den TSV eventuell bis ins Elfmeterschießen retten könnte. Leider platzte der Traum nach einem klaren Foul von Dominik Stahl gegen Marco Reus im Strafraum. Der Schiedsrichter entschied auf Elfmeter und Rot für Stahl, Neuzugang Aubameyang verwandelte sicher zum 0:1 (105.) für den BVB. Da das gesamte Spiel über für den Gastgeber nichts nach vorne lief, schien die Partie somit gelaufen. 1860 München wagte noch einmal nach vorne zu spielen, wurde im Anschluss aber knallhart ausgekontert und durch den anderen Neuzugang des BVB, Henrikh Mkhitaryan mit 0:2 (107.) endgültig aus dem Pokal geworfen.
Fazit: Ein bis auf das letztendliche Ergebnis perfekter Tag für den nach wie vor klammen TSV 1860 München, der sich über hohe Einnahmen freuen darf. Zusätzlich gab die Mannschaft von Trainer Friedhelm Funkel ihr Bestes hinzu, um vielleicht bereits am kommenden Heimspiel gegen Energie Cottbus eine erhöhte Zuschaueranzahl zu ermöglichen. Dennoch sollte auch der letzte Verantwortliche im Verein kapiert haben, was denn bei den Sechzigern noch alles möglich sein kann, wenn die Mannschaft mit attraktivem und vor allem Erstligafußball glänzen kann. Es wird Zeit, den kränkelnden Löwen endgültig zu alter Stärke zurückführen!
Text: Marcel Bär